Einige einfache Hausmittel versüßen derzeit den Börsianern die Berichtssaison. Das Allheilmittel für steigende Erträge lautet: Rechne Dich schön!

Nicht nur bei Banken werden munter vermeintlich einmalige Aufwendungen und Rückstellungen aus der medialen Berichterstattung verbannt. Wen interessieren schon die echten Zahlen …

Wer den Beginn der Berichtssaison mit der geradezu märchenhaften Aufbereitung der Zahlen des Aluminiumkonzerns Alcoa für spektakulär hielt wird täglich eines Besseren belehrt. Während einige sich über die Zahlen der Deutschen Bank freuten, die sich trotz eines Gewinnrückgangs von 95% noch in den schwarzen Zahlen hielt, erfreuten sich andere an einem Gewinnrückgang des selben Instituts von weniger als 40% – wenn man auf den adjustierten Gewinn schaut.

Dieser kleine Unterschied zwischen Realität und Fiktion macht rund eine Millarde Euro aus, eine Zahl, bei der vermutlich auch so manchem Altbänker die Erdnüsse im Halse stecken bleiben. Den Anlegern aber war es egal, in welche beindruckender Manier es das Unternehmen schaffte, die gleichen Analysten simultan zu enttäuschen und zu begeistern.

Königin Schizophrenia hat in der schönen neuen Welt viel Freude bei der Arbeit.

Diese Marktteilnehmer erfreuten einzig und allein an den so genannten „adjusted earnings“, einer Kennzahl, die sich wachsender Beliebtheit erfreut. Statt des korrekten Gewinns gemäß Bilanzierungsstandard GAAP in Höhe von 4 Cents pro Aktie steht für die Freunde der „weichen Zahlen“ ein Gewinn von satten 1,06 Euro pro Aktie zu Buche.

Freilich kann man sich für diesen nichts kaufen, es gibt diesen Gewinn ja gar nicht, aber der Freude schadet dies ebensowenig wie die Tatsache, dass es sich um das drittschlechteste dritte Quartal der Bank nach 2010 und 2002 handelt. Selbst der eingeredete Aufschwung macht um diese und andere Banken einen großen Bogen.

Aber wer bei der Aktienauswahl keinen Wert auf Eigenkapital legt, der interessiert sich vermutlich auch nicht für andere Dinge. So kommt der Kurs der Bank zwar seit Jahren nicht von der Stelle, aber weiter in Richtung Null gefallen ist er bisher ebenfalls nicht. So oszilliert man auf dem Kursniveau von 1993 herum und freut sich des Daseins vor den möglichen Kapitalerhöhungen.

Die folgende Grafik zeigt die Ergebnisse der vergangen dritten Quartale und die Earnings per Share – einmal adjustiert und einmal gemäß GAAP.

Mit 4 Cents Gewinn pro Aktie, immerhin 2 Cents pro halber Doppelspitze, wird es mit einer großartigen Expansion vorerst wohl nicht. Beim immer noch beachtlichen Umfang der angesammelten Assets und der derzeitigen Kapitalausstattung wäre diese allerdings auch kaum angeraten…

Immerhin konnte man auf Jahressicht die Bilanz weiter verkürzen, so dass nun einer Bilanzsumme von 1.788 Milliarden Euro ein Eigenkapital von 57 Milliarden gegenübersteht, womit die Eigenkapitalquote sich still und leise über die Marke von 3 Prozent geschlichen hat.

Laut Bloomberg gesellen sich dazu noch rund 200 Mrd. an außerbilanziellen Posten. Es ist nicht verwunderlich, wenn dieses Institut zu den größten Fürsprechern der Risikogewichtung gehört und sich gegen eine echte Leverage Ratio mit Händen und Füßen wehrt.  Aber während sich Anleger in den heißen Träumen der Allmachtsfantasie der Notenbanken suhlen, achtet vorerst kaum jemand auf harte Zahlen. Auch das ist natürlich ein immer wiederkehrendes Phänomen, sowohl in der Hausse als auch in der Baisse.

Auch die adjustierten Zahlen anderer Institute zeigen diese übrigens von ihrer schönsten Seite. So lag bei der UBS der adustierte Gewinn pro Aktie 70% über der GAAP-Realität, bei der Credit Suisse waren es 53%.

Auch bei Industrieunternehmen ist die Diskrepanz teils deutlich, aber die Banken setzen wieder einmal Maßstäbe. Vor allem die Vorsorge für Rechtsrisiken nimmt einen immer wichtigeren Platz ein. Viele Rückstellungen und Reserven führen später tatsächlich zu Zahlungen. Dem Betrachter der ajdustierten Erträge bleiben derartige Verluste verborgen. Bei teils zweistelligen Milliardenverlusten ist der Akt des Ausblendens eine überaus possierliche Art und Weise der Unternehmensanalyse.

Sehr aufschlussreich ist auch die Aufbereitung durch diegroßen Datenanbieter. So stellt Bloomberg in der Standarddarstellung lediglich die adjustierten Daten bereit. Für die drei Banken im EuroStoxx, die bisher Zahlen gemeldet haben (BBVA, Santander und Deutsche Bank) wird so eine Gewinnsteigerung im Vergleich zum Vorjahresquartal von 1,56 Milliarden ausgewiesen. Ein Blick in die Details zeigt, dass die Veränderung der echten Erträge um 1,28 Milliarden Euro geringer ausfiel. Wer will schon die schlechten Zahlen seiner besten Kunden an die große Glocke hängen …

Die Schönfärberei entfaltet ihre volle Pracht, wenn man den Einfluss der Financials auf die Indexgewinne betrachtet. Wer also in den kommenden Wochen wieder von wundervollen Gewinnsteigerungen bei europäischen Unternehmen liest oder hört, dem sei zur Vorsicht geraten, denn adjustierte Gewinne kann man nicht ausschütten. Immerhin, so passen dann die Dividendenkürzungen und die vermeintlichen Ertragssteigerungen wieder zusammen.

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